Eva Ibbotson by Die Morgengabe

Eva Ibbotson by Die Morgengabe

Autor:Die Morgengabe [Die Morgengabe]
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 0101-01-01T00:00:00+00:00


Das Klavier wurde gegen Mitte des Vormittags erwartet, doch Leonie war schon um sechs auf den Beinen, machte die Zimmer sauber, erneuerte die Pfropfen in den Mauselöchern, kehrte und wischte. Um sieben begann sie zu backen, aber da ging dann leider nicht mehr alles nach ihrem Plan.

Die Ankunft von Heinis Klavier war Leonie relativ gleichgültig, aber Ruth wollte ihre Freunde mit nach Hause bringen, um das Ereignis zu feiern, und das konnte einen nicht gleichgültig lassen. Verena Plackett, die in Ruths Berichten von ihrem Tageslauf kaum eine Rolle spielte, würde nicht mitkommen, dafür aber Priscilla Yarrowby, Sam Marsh, Janet und der Waliser, der das Klavier auf dem Heimweg vom Rugbytraining in einem obskuren Laden entdeckt hatte.

Wäre ihr Mann zu Hause gewesen, so wäre es Leonie schwergefallen, den jungen Leuten etwas Leckeres anzubieten, denn das Haushaltsgeld war denkbar knapp; während der Abwesenheit des Professors jedoch hatten sie höchst bescheiden von Kartoffeln und dem Apfelmus gelebt, das sie aus den Falläpfeln machte, die Mishak von seinen Streifzügen mitzubringen pflegte. Und so hatten sie gespart.

Mit dem Gesparten hatte Leonie nun zwei Kilo feines Mehl gekauft, frisch gemahlene Mandeln, Puderzucker, ungesalzene Butter und die feinsten Vanilleschoten, und um neun zog sie das erste Blech voll perfekt gebackener Vanillekipferl aus dem Rohr.

Das war der Moment, als ihre Planungen für diesen Morgen zunichte gemacht wurden. Sie hatte gewünscht, Mishak möge bleiben und Ruths Freunde kennenlernen – sie hatte Mishak immer gern da –, Hilda jedoch, hoffte sie, werde wie immer in das Britische Museum abdampfen und Fräulein Lutzenholler den Hügel hinaufmarschieren und Freuds Haus anstarren.

Sie hatte jedoch nicht mit der Macht der menschlichen Nase gerechnet, Emotionen und Erinnerungen wachzurufen. Hilda erschien zuerst. In ihrem Morgenrock kam sie schlaftrunken in die Küche getaumelt.

«Dann ist es also wirklich wahr!» rief sie. «Ich habe sie gerochen, .aber ich dachte, es sei ein Traum.» Und dann beschloß sie, da Samstag war, nicht ins Museum zu gehen, sondern zu Hause zu arbeiten.

Wenig später kam Fräulein Lutzenholler, nicht so finster wie sonst, sondern vielmehr ungläubig. «Ach so, ja, das Klavier», sagte sie und fügte die Worte hinzu, die Leonie gefürchtet hatte: «Da bleibe ich natürlich und helfe.»

Als später der Duft frisch gemahlenen Kaffees sich mit dem süßen, warmen Aroma der Kipferl vermischte, zeigte sich, daß an diesem Morgen nicht nur niemand freiwillig Nummer 27 verlassen, sondern viele andere dazukommen würden. Ziller war natürlich eingeladen worden, aber kurz nach ihm traf Mrs. Weiss in einem Taxi ein, und wenig später Mrs. Burtt, die ihren freien Tag hatte, und dann eine Dame aus dem Nachbarhaus, die irgend etwas Ekstatisches auf Polnisch murmelte.

So kam es, daß Ruth, als sie mit ihren Freunden eintraf, von heimatlichen Wohlgerüchen und aufgeregtem Stimmengewirr empfangen wurde. Einen Moment lang blieb sie von Erinnerungen überwältigt an der Tür stehen, dann rannte sie nach oben und fiel ihrer Mutter um den Hals.

«Ach, du hättest doch nicht backen sollen, aber es ist natürlich köstlich!» rief sie und rieb ihre Wange an der ihrer Mutter.

Jeder, den Ruth gern hatte, wäre von Leonie mit Herzlichkeit



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